Peri- und postoperative Blutungen sind als Komplikationen in allen Disziplinen der Chirurgie gefürchtet, erklärte Prof. Dr. Marco Kesting, Direktor der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen, auf dem 14. MKG-Update-Seminar am 26. und 27. Januar 2023 in Wiesbaden. Dabei bergen Patienten mit Hämostasestörungen ein erhöhtes Risiko für Blutungen.
Bei den erworbenen Blutgerinnungsstörungen sind etwa Leberfunktionsstörungen zu beachten: Eine Leberfunktionsstörung wie bei einer Leberzirrhose hat multifaktoriellen Einfluss auf die Blutgerinnung und geht oftmals mit einer verringerten Synthese von Gerinnungsfaktoren sowie Thrombopoietin einher. Außerdem leiden die betroffenen Patienten oft an einer chronischen Anämie sowie an einem Vitamin-K-Mangel.
Die mit der Leberfunktionsstörung einhergehende portale Hypertension führt zu einer Hypertrophie der Milz. Hieraus resultiert ein Abfall der Thrombozytenzahl durch Sequestrierung von Thrombozyten in der Milz. In der Folge stellt die Thrombozytopenie die häufigste hämatologische Komplikation bei chronischen Lebererkrankungen dar.
Die Leberfunktion sollte daher präoperativ laborchemisch überprüft werden. Bei einer Funktionsstörung sind typischerweise die Gerinnungsparameter INR, Prothrombinzeit sowie die aPTT erhöht; die Thrombozytenzahl kann verringert sein.
Aktuell existieren Leitlinien verschiedener internationaler Gesellschaften zur Behandlung von Lebererkrankungen (Japanese Society of Gastroenterology and Hepatology, European Association for the Study of the Liver, American Association for the Study of Liver Diseases), welche allesamt in den vergangenen Jahren aktualisiert wurden. In keiner dieser Leitlinien wird jedoch explizit Stellung zum perioperativen Umgang bei geplanter operativer Therapie für Patienten mit Leberzirrhose oder anderen Leberfunktionsstörungen genommen, so Kesting. Es liegen verschiedene klinische Leitlinien mit verhältnismäßig geringem Evidenzlevel vor, welche sich dieser Thematik annehmen.
Neben der präoperativen Diagnostik müssen vor dem operativen Eingriff die Schwere der Leberfunktionsstörung und das damit zusammenhängende perioperative Blutungsrisiko gegenüber der Notwendigkeit der operativen Therapie abgewogen werden. Dies kann mittels etablierten Scores wie dem Child-Pugh-Score erfolgen.
Zur Minimierung von postoperativen Komplikationen sollten elektive Eingriffe verschoben werden, bis der Patient sich in einem stabilen Ausgangszustand befindet. Bei vorliegender portaler Hypertension sollte diese präoperativ mittels oraler Pharmazeutika therapiert werden.
Anmerkung aus gutachtlicher Sicht
Falls diese Empfehlungen nicht beachtet werden und es in der Folge zu einer gravierenden (vermeidbaren) peri- bzw. postoperative Blutung mit einer Schädigung des Patienten kommt, kann das zum Vorwurf eines Behandlungsfehler führen, der dann ggf. gutachtlich abgeklärt werden muss.