Cannabspräparate werden gerade auch bei Krebspatienten eingesetzt, wobei der Placebo-Effekt offenbar eine große Rolle spielt. Dann können medizinische Gutachter (etwa bei der privaten Krankenversicherung) gefragt werden, ob im konkreten Fall eine solche Behandlung als medizinisch notwendig anzusehen ist.

Welche Wirksamkeit bei entsprechenden Anwendungen tatsächlich nachgewiesen ist, wird nun in der Mitte Juni dieses Jahres vorgestellten aktuellen Version 2.0 der S3-Leitlinie „Komplementärmedizin in der Behandlung von onkologischen PatientInnen“ (AWMF-Registriernummer: 032/055OL; Stand Mai 2024) evidenzbasiert dargestellt.

Cannabinoide sind chemische Verbindungen, die hauptsächlich in der Hanfpflanze (Cannabis sativa bzw. Cannabis indica) gefunden werden können. Bisher wurden mehr als 144 Cannabinoide in der Cannabispflanze gefunden. Zu den (Phyto-) Cannabinoiden gehören unter anderem Delta-9-Tetrahydro-Cannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). CBD ist im Gegensatz zu THC nicht psychoaktiv. Ihm werden vor allem, schmerzstillende, entzündungshemmende sowie beruhigende und angstlösende Wirkungen zugesprochen.

Hier die fünf evidenzbasierten Statements zu den verschiedenen Indikationen:

  • Es liegen Daten aus 2 RCTs [randomisierten kontrollierten Studien] zur Wirksamkeit von 9-Tetrahydrocannabinol (THC) allein bzw. THC und Cannabidiol (CBD) in Kombination auf Symptome von Anorexie/Kachexie bei onkologischen Patienten vor. Die vorliegenden Daten belegen keine Überlegenheit gegenüber Placebo oder Megestrol Acetat in den untersuchten Dosierungen und Vorgehensweisen. Es kann keine Empfehlung für oder gegen eine Anwendung von THC bzw. THC:CBD bei diesen Patienten gegeben werden.
    (Evidenzlevel 2, starker Konsens)
  • Es liegen keine Daten zur Wirksamkeit von CBD und 1 RCT zur Wirksamkeit von THC auf Schmerz bei onkologischen Patienten unter Opioidbehandlung vor, welche keine Überlegenheit zu Placebo zeigt. Es kann keine Empfehlung für oder gegen die Anwendung von THC oder CBD als Einzelsubstanz bei onkologischen Patienten mit dieser Indikation gegeben werden.
    (Evidenzlevel 2, starker Konsens)
  • Es liegen Daten aus 5 RCTs (in 4 Publikationen) zur Wirksamkeit der kombinierten Einnahme von THC und CBD auf Schmerz bei onkologischen Patienten unter unzureichend wirksamer Opioidtherapie vor. Eine kombinierte Einnahme von THC und CBD zur Schmerzbehandlung kann ergänzend bei Patienten unter Standardtherapie erwogen werden.
    (Empfehlungsgrad 0, Evidenzlevel 2, starker Konsens)
  • Es liegen Daten aus 1 RCT zur Wirksamkeit von THC auf Lebensqualität bei Kopf-Hals-Tumorpatienten vor. Weitere 5 RCTs erhoben Lebensqualität als einen sekundären Endpunkt. Die Daten reichen für einen Beleg der Wirksamkeit von THC oder THC:CBD bei dieser Indikation nicht aus. Es kann keine Empfehlung für oder gegen die Anwendung von THC oder THC:CBD bei onkologischen Patienten mit dieser Indikation gegeben werden.
    (Evidenzlevel 2, starker Konsens)
  • Es liegen Daten aus 1 aktuellen RCT und einer Metaanalyse mit 5 Studien (4 vor 1995) zur Wirksamkeit von THC/CBD auf Chemotherapie-induzierte Übelkeit/Erbrechen bei onkologischen Patienten vor. THC/CBD kann bei Patienten mit nicht ausreichender Wirksamkeit der leitliniengerechten Antiemese in der Therapie von Chemotherapie-induzierter Übelkeit/Erbrechen erwogen werden.
    (Empfehlungsgrad 0, Evidenzlevel 2, starker Konsens)

https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Leitlinien/Komplement%C3%A4r/Version_2/LL_Komplement%C3%A4rmedizin_Langversion_2.0.pdf